Facebook statt Face-to-face
Fragen an Dr. Jörg Pscherer zur Facebook-&-Co-Kommunikation:
- Warum reden wir immer öfter virtuell statt persönlich miteinander?
Virtuelle Kommunikationsplattformen erscheinen persönlich nah und gleichzeitig schützend anonym. Außerdem geht´s schnell und gleichzeitig. Das passt in unsere moderne Zeit. Schnell mal 180 Mails checken und das Gefühl haben, wichtig zu sein, gehört zu werden. Ist doch schön, 1000 sogenannte Freunde zu haben und noch mehr „Gefällt-mir“-Klicks. Die Freunde treten mir trotzdem nicht zu nah, ich kann sie ja einfach wegklicken oder mich (mein Gerät) auf Stumm schalten, und schon bin ich schnell mal weg. Und wenn ich (naiverweise) will, dass Andere mir ganz nah sind, ziehe ich mich einfach beim „Sexting“ aus und schon spüre ich den „Fame“.
- Soziale Netzwerke laden ein, sich darzustellen. Menschen, die im „echten“ Leben eher still sind, zeigen plötzlich Redefreude. Wie lässt sich das erklären?
Das echte Leben ist doch etwas komplizierter und stellt höherer Anforderungen an die soziale Kompetenz. Wenngleich Chatten und Mailen technischen Multitasking-Verstand benötigen, sind diese trotzdem beschränkt auf einfache Zeichen. Stehe ich andererseits einem wahrhaften Menschen gegenüber, rede ich sogar, wenn ich stumm bleibe. Der Kommunikationsexperte Paul Watzlawick behauptet, „man kann nicht nicht kommunizieren“, da immer Signale ausgesendet werden. Das Repertoire sprachlicher und körpersprachlicher Mittel ist also groß und fehleranfällig. Ein unsicherer Zeitgenosse fühlt sich relativ sicher, wenn er vor dem eigenen, vertrauten Bildschirm ein paar Tasten drückt. Ich meine nicht den sozial isolierten Computerfreak, der (noch) die Ausnahme ist. Eine Internetfreundschaft ist schneller und einfacher geschlossen, mit all den vermeintlichen Illusionen. Zustimmende Botschaften auf der eigenen „Leinwand des kleinen Lebens“ motivieren halt ungemein und stärken das Gefühl des Selbstbewusstseins.
- Ist unsere bisherige Kommunikation damit am Ende?
Keine Sorge, unsere reale Kommunikation wird ebenso wenig untergehen wie das gedruckte Buch. Aber sie hat sich schon verändert und wird sich weiter verändern. In mehreren Studien wurde festgestellt, dass virtuelle Gesprächsführung durchaus eine sinnvolle Ergänzung sein kann zum bisherigen klassischen Austausch zwischen Menschen. Folgt beispielsweise auf den Erstkontakt per Mausklick ein persönliches Treffen, dann können sich Beziehungen intensivieren, die dann wieder online ergänzt werden. Ist doch eine schöne Kombination und erweitert durchaus unser sozial-kommunikatives Spektrum. Soziale Kompetenzen gehen in ein neues Zeitalter – Menschen, die vor der Mobil-Revolution aufgewachsen sind, können da viel von den Jungen lernen. Diesen aber auch erzählen, wie es möglich war, dass vor den Anrufbeantworterzeiten, als es noch Wählscheiben gab, sich Menschen trotzdem unterhalten konnten.
Hören Sie hierzu auch einen Interview mit Jörg Pscherer auf Radio Energy vom 4.3.14: